Lockerungsübungen aus
fünfzig Jahren
Wallstein Verlag, 24,90 Euro
"Die Moderne ist hundert Jahre alt. Sie gehört der Geschichte an",
schrieb Hans Magnus Enzensberger bereits 1960, also vor weit mehr als
einem halben Jahrhundert. Auch wenn er hier den Begriff Postmoderne
nicht gebraucht, darf Enzensbergers Aufsatz als Beginn der
Diskussion zum Thema im deutschsprachigen Raum angesehen werden, die
zeitgleich auch in den Vereinigten Staaten in Gang kam.
Was - mit allem Respekt - als literarische Moderne verstanden wurde, schien mittlerweile "ermüdet", es konnte nun nicht mehr einfach für das Neue (Gute) im Gegensatz zum Traditionellen stehen, sondern wurde selbst in seiner Geschichtlichkeit gesehen. Ein poetologischer Neuansatz wurde nötig, um zu vermeiden, was den Geist der Moderne zutiefst widersprach: die inzwischen risikolose und routinierte Imitation der ästhetischen Vorstellungen der ehemals revolutionären Moderne.
Aber
es brauchte in Deutschland bis 1968, als der amerikanische
Literaturwissenschaftler Leslie Fiedler mit seinem Freiburger Vortrag
über "Das Zeitalter der neuen Literatur" (auf Englisch
bezeichnenderweise gedruckt im Magazin Playboy, auf Deutsch mindestens ebenso bezeichnenderweise in der Zeitung Christ und Welt) eine über Monate geführte
hitzige Diskussion auslöste - von den älteren Autoren wie Robert Neumann und Hans
Egon Holthusen bis zu den damals 'Jungen' Rolf Dieter Brinkmann, Martin
Walser und Jürgen Becker. Diese Debatte wird hier erstmals komplett in Buchform
wiedergegeben.
Der Band zeichnet nach, wie sich postmoderne Überlegungen in der deutschen Literatur dennoch mit einiger Verzögerung durchsetzten. Er umfasst poetologische Essays unter anderem von: Günter Grass, Heiner Müller, Peter Rühmkorf, Patrick Süskind, Christoph Ransmayr, Sten Nadolny, Daniel Kehlmann, Peter Sloterdijk, Ulrich Woelk, Bernd Eilert, Bodo Kirchhoff, Uwe Kolbe, Dirk von Petersdorff, Burkhard Spinnen und Durs Grünbein.